Natur und indigene Menschen

Alexander von Humboldt galt lange Zeit primär und lediglich als Naturforscher. Von der Warte postkolonialer Kritik aus gesehen, figurierte er dann als ein typisch europäisches Subjekt, das angeblich oder tatsächlich menschenleere Landschaften durchstreift, erschliesst und damit quasi erobert. Mittlerweile ist jedoch evident, dass Humboldt in seinen verschiedenen Berichten über die berühmte Amerikareise (1799-1804) immer wieder Menschen in ihren natürlichen, sozialen und kulturellen Kontexten skizzierte. Der Vortrag geht von folgender Leitfrage aus: In welchem Verhältnis stehen Humboldts anthropologische Beschreibungen indigener Akteur*innen zu deren natürlicher Umwelt? Dabei geht es um mehrere Aspekte. Zu diskutieren sind zeitgenössische Vorstellungen von ‹ursprünglicher Natur›, die bis heute in modernen Diskursen der Naturbeschreibung nachwirken. Humboldt betrachtet die Indigenen in den Landschaften Südamerikas darüber hinaus vor dem Hintergrund der Theorien der europäischen Aufklärung über den ‹Naturzustand› der Menschheit und ‹edle Wilde›. Schliesslich nutzte der Naturforscher Humboldt einheimische Menschen, denen er in den Llanos, am Orinoco oder in den Anden begegnete, auch als Informanten über Naturphänomene. Er interessierte sich für die ‹Theorien der Eingeborenen›, was die Frage nach dem kategorialen Verhältnis zwischen indigenem und wissenschaftlichem bzw. europäischem Wissen über die Natur aufwirft. Die Textgrundlage bilden zum einen zu Lebzeiten Humboldts publizierte Reiseberichte, zum anderen Tagebucheinträge, Briefe und Essays.

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