Grünräume für die plurale Stadtgesellschaft. Vegetationskunde, urbane Diversität und alternative Planungsparadigmen der 1970/80er-Jahre

«Mieten sie für einen Tag einen Kleinbagger, lassen sie ein ca. 3 Meter tiefes Loch ausheben, schütten Sie darum herum einen Erdwall und... vergessen Sie die Angelegenheit für die nächsten 3 Jahre. Ihre Kinder werden Sie an einen Ort zurückführen, den Sie nicht wiedererkennen werden: Ein dichtes Buschwerk umschliesst einen grossen Wassertümpel, ringsum sind von Kindern Trampelwege geprägt (…). Sie spüren, dass die Kinder hier ihre eigene Spielwelt gebaut haben. Die Natur hat ihnen dabei geholfen.»

Dieser gärtnerische Praxistipp, den der nachmals prominente Zürcher Landschaftsarchitekt Dieter Kienast 1980 an ein städtebaulich interessiertes Laienpublikum richtete, fasst die Kerninhalte eines Paradigmenwechsels zusammen, der die deutschsprachige Grünraumplanung ab den 1970er-Jahren erfasste: Die Geste des Lochs steht für den Bruch mit Oberflächen- und Raumästhetiken der Nachkriegsmoderne. Eine analoge symbolische Funktion, die der vielgehasste Beton für eine populäre Städtebau-und Architekturkritik jener Jahre einnahm, spielte auf der Ebene von kritischen Freiraumdebatten das nicht minder geschmähte «Stadtgärtnergrün» aus Rasen und Thujahecke. Die kindlichen Trampelpfade hingegen sind eine Chiffre alternativer Freiraumkonzeptionen, die Nutzeraneignung und Veränderbarkeit zu Qualitätsmerkmalen von Freiräumen erhoben. Mit der «helfenden» Natur schliesslich verwies Kienast auf die ökologischen Prämissen, die vielen dieser jüngeren Grünraum-Ansätze zugrunde lagen – angestrebt wurde ein Wechselspiel von menschlicher Nutzung und entsprechend angepasster Vegetationsstruktur. Fliessend zwischen soziologischen, gestalterischen und ökologischen Perspektiven wechselnd, postulierten einschlägige Protagonisten eine Trias von sozialer Diversität–Raum(nutzungs)diversität–Biodiversität, die als Ideal der spätmodernen Stadt interpretiert werden kann.

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