Lebensreform, Umweltschutz und die Neuen Rechten in den 1970er Jahren

Als sich um 1900 die alltägliche Lebenswelt der Menschen durch die voranschreitende Urbanisierung, Industrialisierung und Ökonomisierung rasant veränderte, kam die sogenannte Lebensreformbewegung auf. Mit ihren Forderungen nach einer gesünderen, weil mit der Natur verbundenen Lebensweise, versuchte sie die negativen Auswirkungen dieser modernen Transformationsprozesse zu bewältigen. Anstatt jedoch die Lebensbedingungen der gesamten Bevölkerung durch sozialpolitische Massnahmen zu verbessern, sollten die Einzelmenschen ihre eigene Gesundheit durch Vegetarismus, Alkoholabstinenz, Körperkultur und Naturheilkunde selbstverantwortlich optimieren und dadurch ihre Leistungsfähigkeit steigern. Die «Natur» erschien dabei als Chiffre für eine nicht hinterfragbare Gesetzmässigkeit, die alle Lebensvorgänge und sozialen Interaktionen vorstrukturiert. Diese Naturvorstellungen bildeten nicht nur die Grundlage für lebensreformerische Ernährungsvorschriften, Körperbilder und Gesundheitskonzepte, sondern förderten auch die Anschlussfähigkeit mit eugenischen, sozialdarwinistischen und rassistischen Argumentationsmustern.

Neuere Forschungsarbeiten zeigen, dass die Lebensreformbewegung auch nach 1945 sehr aktiv blieb und sich in den 1970er Jahren mit neuen sozialen Bewegungen und alternativen Milieus austauschte. Dieses Referat geht der Frage nach, welche Naturvorstellungen lebensreformerische Akteure dabei vermittelten und ob diese weiterhin mit eugenischen, sozialdarwinistischen und rassistischen Inhalten verbunden waren. Es soll insbesondere geklärt werden, auf welche Weise lebensreformerische Gruppierungen wie die «Schweizerische Liga für biologische Landesverteidigung» oder der «Weltbund zum Schutze des Lebens» konservative bis rechtsextreme Strömungen innerhalb neuer Umweltschutzbewegungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz beeinflussten und inwiefern sie dabei eine Scharnierfunktion zwischen «alten» und «neuen» Rechten ausübten.

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